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Zeitgeschichte. Die schrecklichen Jahre der Finsternis

Vor 75 Jahren wurde die Republik Österreich vom Deutschen Reich annektiert. Der Anschluss war der Beginn einer entsetzlichen Apokalypse, an die viele Stätten in Wien noch heute erinnern. Ein Rückblick von Georg Karp

Heldenplatz in Wien: Eine Million Menschen jubelten dem Braunauer Adolf Hitler zu (Foto: Bundesarchiv/Wikipedia)
Heldenplatz in Wien: Eine Million Menschen jubelten dem Braunauer Adolf Hitler zu. Nach 1945 wollte keiner dabei gewesen sein (Foto: Bundesarchiv Koblenz/Wikipedia)

Die Apokalypse begann mit frenetischem Jubel, zackigen Aufmärschen und verführerischen Versprechen. Über eine Million Menschen, jung und alt, standen wie hypnotisiert auf dem Heldenplatz in Wien, um am 13. März 1938 den Heimkehrer Adolf Hitler frenetisch zu begrüßen, denn er versprach ihnen Arbeit, Brot und eine bessere Zukunft unter dem Hakenkreuz des Nationalsozialismus. Viele Österreicher –nicht alle – glaubten ihm und seinen Helfershelfern, viele – nicht alle – ließen sich von „ihrem” Führer verführen und zu willfährigen Statisten manipulieren und missbrauchen. Zeitgeschichte. Die schrecklichen Jahre der Finsternis weiterlesen

Der Unbelehrbare auf seinem Kreuzzug gegen die Moderne

Der demokratischen Gesellschaft droht Gefahr aus dem Vatikan. Ein geistiger Rückfall in die finstere Vergangenheit des fundamentalen Katholizismus breitet sich aus wie ein unheilbares Krebsgeschwür: Denn der deutsche Papst in Rom will eine geistig-moralische Wende herbeiführen, die Moderne soll endlich zu Kreuze kriechen.

Mit schweren Geschützen fährt der britisch-deutsche Journalist und Autor Alan Posener, 62, in der aktualisierten Ausgabe seines Buchs „Der gefährliche Papst“ (Ullstein) auf, dokumentiert in seiner kritischen Streitschrift gegen Benedikt XVI., dass der Papst, ein Feind der Aufklärung, schon seit langem einen konsequenten Feldzug gegen die Errungenschaften der Moderne führt.

Der gefährliche Papst. Eine Streitschrift gegen Benedikt XVI. von Alan Posener. Aktualisierte Taschenbuchausgabe aus Ullstein Verlag
Der gefährliche Papst. Eine Streitschrift gegen Benedikt XVI. von Alan Posener. Aktualisierte Taschenbuchausgabe aus Ullstein Verlag

Unverblümt wirft er dem deutschen Papst in Rom vor, dass er „mit großer Radikalität und Beharrlichkeit die Grundsätze eines intellektuellen Rollbacks der Moderne postuliert, den weltlichen Staat und die Werte der Aufklärung  bekämpft: Pluralismus der Gesellschaft und des Glaubens, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung der Frau, Emanzipation der Wissenschaft und der Religion.

„Benedikts Kreuzzug gilt Europa. Ihn zu kritisieren heißt, sich der geistigen Grundlagen des modernen Europa zu versichern. Europa ist für Benedikt der Hauptkampfplatz. Hier hatte die Aufklärung ihren Ursprung, hier ist die Säkularisierung am weitesten gediehen, hier vor allem wird Benedikts Rat für die Neuevangelisierung tätig werden. Europa soll nach seinem Willen wieder zu einem christlichen Kontinent werden – und zwar christlich im Sinne der vorreformatorischen Kirche“, sagt der bekennende Atheist Alan Posener.

Für den Papst ist die Geschichte Europas seit der Reformation eine Geschichte des moralischen und geistigen Verfalls, die Aufklärung ein Sündenfall. Posener: „Er deutet den Begriff der Vernunft um und macht sie so zu einem Instrument, das die Menschen in Abhängigkeit von der Kirche halten soll. Den Pluralismus der Demokratie kritisiert Benedikt als Diktatur des Werterelativismus, und indem er behauptet, dieser führe zum ungehemmten Egoismus und zur Auflösung von Familie, Moral und öffentlicher Ordnung, delegitimiert er die Demokratie.“

Was Benedikt XVI. will, so der Autor und Korrespondent für Politik und Gesellschaft für die Welt am Sonntag und einer der einflussreichsten deutschen Blogger, „ist ein Rollback der Aufklärung, der Moderne. Er trifft in Europa auf eine weitverbreitete Forschrittsmüdigkeit und Zivilisationskritik, auch unter Menschen, die mit dem Katholizismus nichts am Hut haben. Darum sind seine Ideen gefährlich. Benedikts gefährliche Ideen kritisieren heißt, sich erneut der geistigen Grundlagen des modernen Europa versichern.“

Die zahlreichen Sex-Skandale um Seminaristen, Priester, Bischöfe und Kardinäle ließen den Papst – so der Buchautor Posener – ungerührt, er gehe weiterhin gegen Homosexualität und die Emanzipation der Frau vor.

Als Beleg dafür zitiert er Benedikt XVI. wörtlich: „Es ist keine überkommende Metaphysik, wenn die Kirche von der Natur des Menschen als Mann und Frau spricht und fordert, dass diese Schöpfung auch respektiert wird.“

Diese Festellung des amtierenden Papstes provoziert Alan Posener zur kritischen Frage: „Wollen wir statt der angeblichen Diktatur der demokratischen Vielfalt etwa eine Diktatur der absoluten Wahrheit des Papstes?“

Mit seiner Rede im KZ Auschwitz am 29. Mai 2006 revidierte der deutsche Papst Benedikt XVI. die Position der katholischen Kirche zum Holocaust, „instrumentalisierte seinen Auschwitz-Besuch zur Relativierung deutscher Schuld“ (Posener). Er klagte bei seinem Auftritt in Auschwitz das Schweigen Gottes an, verabsäumte es aber, zu fragen, warum denn die katholische Kirche zu all den Gräueln der Nazi-Zeit geschwiegen habe.

Alan Posener: „Statt zu fragen, wie Gott das alles dulden konnte, hätte sich das Kirchenoberhaupt fragen müssen, wie seine Kirche so etwa geschehen lassen konnte. Allerdings hätte die Frage nach dem Schweigen der Kirche Antworten verlangt, die von diesem Papst nicht zu erwarten sind.“

Ein weiterer Vorwurf den den Pontifex Maximus: Er verfolge das Ziel, den Anteil des christlichen Antijudaismus am Antisemitismus herunterzuspielen und so das moralische und politische Versagen der katholischen Kirche zu verdrängen.

In diesem Kontext sei die Verschärfung des Tons gegenüber den Juden zu sehen, „wie sie in der neuen Karfreitagsfürbitte der Lateinischen Messe zum Ausdruck kommt wie in der Kapitulation der Kirche vor den antisemitischen Pius-Brüdern.“ Als der deutsche Papst einen Holocaust-Leugner zurück in den Schoß der Kirche holte, war das Entsetzen groß, doch dieser Schritt war nicht gedankenlos, meint der Buchautor.

Für Alan Posener, der zahlreiche Monographien u.a. über Jungfrau Maria, William Shakespeare und John F. Kennedy veröffentlicht hat, ist die „benedettinische Wende“ eine massive „Umwertung aller Werte, eine Verneinung von allem, was dem Westen bei aller Unzulänglichkeit zur liebens- und lebenswerten Gesellschaft macht. Sie hat letzten Endes mit dem fundamentalistischen Islam mehr gemein als mit der säkularen Gesellschaft Europas.“

Papst-Kritiker Alan Posener: „Auf den Dschihad gegen den säkularen Westen wollen manche nicht mit einer Verteidigung des Säkularismus, sondern mit einem Kreuzzug antworten. Benedikt ist ihre Leitgestalt. Bedeutet das Zweite Vatikanische Konzil die verspätetete Anpassung der Kirch an die Moderne, so bedeutet das Pontifikat Benedikts XVI. die Anspassung der Moderne an die Kirche.“

Vom 22. bis 25. September besucht der deutsche Papst seine Heimat. Der Besuch steht unter dem Motto „Wo Gott ist, da ist Zukunft“. Zwei zentrale Themen rücken dabei in den Blickpunkt, die ähnlich den Brennpunkten einer Ellipse die beiden Schwerpunkte des Besuchs Papst Benedikt XVI. in Deutschland sein werden: Die Frage nach Gott und nach der Zukunft. Die 21. Auslandsreise führt Papst Benedikt XVI. in das Erzbistum Berlin, in das Bistum Erfurt und das Erzbistum Freiburg.

Alan Posener: „Ich klage Benedikt an. Ich halte sein politisches Denken für irregeleitet, gefährlich und in letzter Instanz für menschenverachtend. Mir geht es nicht um die Person. Mit geht es um die Sache. Die benedettinische Wende geht nicht nur Theologen an, und auch nicht nur Katholiken, sondern alle Bürger Europas.“
Georg Karp

Abgesang auf einen Alt-Nazi

Eigenartig, eigenartig: Da stirbt der „Doyen der Neonazi-Szene in Österreich und Deutschland“ (sic!) und die Steiermark-Online-Redaktion des öffentlich-rechtlichen Meinungsmonopols ORF widmet dem Tod des „Untersturmführers der ersten Waffen-SS-Division“ mehr als 35 Zeilen im Internet – sozusagen als einen Quasi-Nachruf in einem informativen Nachrichtenkleid.

Aufstand im Warschauer Ghetto – Fotografie von Jürgen Stroop. Aus dem Stroop-Bericht von 1943 an Heinrich Himmler von Mai 1943. Die originale Bildunterschrift lautet „Mit Gewalt aus Bunkern hervorgeholt“. Es ist eines der bekanntesten Fotos aus dem zweiten Weltkrieg. Erstmals veröffentlicht in „Sprawozdanie Juergena Stroopa“ (1948) von Stanisław Piotrowski

Hallo, hallo, haben wir wirklich nichts anderes, nichts besseres zu berichten? Trauert da vielleicht jemand um die „Integrationsfigur des Rechtsextremismus“? Weint jemand dem Altnazi nach? Wäre es nicht zeitgeschichtlich wesentlich wichtiger, über den Tod der letzten Überlebenden des Holocaust zu informieren?

Der Abgang der „grauen Eminenz der deutsch-österreichischen Neonazi-Szene“, so das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW), ist in Anbetracht der Vergangenheit dieses Mannes nicht einmal eine Marginale wert. Wem also nützt dieser Abgesang? Ist der Tod eines Unverbesserlichen wirklich vermeldenswert und noch dazu in dieser Breite? Oder gibt es da vielleicht noch braune Flecken in der grünen Mark?

Warten wir mal ab, wer zum Begräbnis antanzt, welcher Rechte die Rechte zum letzten Gruß erhebt. Vielleicht schickt die Steiermark-Redaktion des ORF auch einen Kranz? Wer weiß, wer weiß.
GeKa